Häfen

von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter

Fossa Carolina: Bindeglied der Hafennetzwerke an Rhein und Donau

Lage des Karlsgrabens und anderer wichtiger Wasserscheidenpassagen in Europa. Grafik: Uni Jena.

Bei der Ortschaft Graben (Mittelfranken) haben sich die Reste der Fossa Carolina erhalten. Der Kanal wurde Schriftquellen zufolge 793 auf Initiative Karls des Großen zur Überwindung der europäischen Hauptwasserscheide errichtet. Er zählt zu den bedeutendsten wasserbaulichen Großprojekten des Frühmittelalters. Im Schwerpunktprogramm wird der Karlsgraben als Knotenpunkt der wassergestützten Verkehrssysteme zwischen Donau und Rhein erforscht. Dazu werden der Kanal, die zugehörigen Häfen an Altmühl und Rezat, ihr Siedlungsumfeld sowie ihre Umweltbedingungen von einem interdisziplinären Team der Universitäten Jena und Leipzig sowie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege mithilfe archäologisch-historischer, geomorphologisch-sedimentologischer und geophysikalischer Methoden untersucht.

Grafik Kopfzeile: Darstellung des Kanalbaus in der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries (16. Jahrhundert), nach franconica.uni-wuerzburg.de/ub/fries/fries_miniaturen.html.

Problemstellung

Winterluftbild des Karlsgrabens. BLfD, Luftbildarchiv, Aufnahmedatum 19.02.1985, Archivnr. 7130/27, Filmnr. 3840a/37, Bildautor: Otto Braasch.
Zentraler wassergefüllter Kanalbereich im Ortsbereich von Graben mit mächtigen Randwällen. Foto: Uni Leipzig.

Aus der bisherigen Erforschung des Bauensemble der Fossa Carolina ergibt sich eine vielfältige Problemstellung. So fehlt eine systematische quellenkritische Analyse der historischen Überlieferungsfragmente. Ausdehnung und Trassenverlauf des Kanals nördlich und südlich des Kernbereiches sowie die Anbindung an Altmühl und Rezat sind nicht fassbar. Quer- und Längsschnitt des Kanals sind weitgehend unbekannt und die bisherige Befundlage zur bauzeitlichen Grabensohle ist lückenhaft. Daher kann nicht entschieden werden, ob der Kanal als Weihertreppe oder durchgehende Trasse geplant war. Die älteren Ergebnisse zur Sedimentstratigraphie innerhalb der Grabenfüllung sind nicht belastbar: Eine mächtige bislang als rein frühmittelalterlich angesprochene Torflage im Zentralbereich des Kanals wurde nach neuen 14C-Datierungen unserer Arbeitsgruppe zwar im Frühmittelalter angelegt, entwickelte sich jedoch bis weit ins Hochmittelalter hinein. In der ältesten Grabenverfüllung fanden sich jedoch erstmals auch Hölzer, deren 14C-Alter die karolingerzeitliche Bauphase belegen. Die bisherige Gesamtfokussierung der Erforschung des Kanals auf die Karolingerzeit erscheint allerdings nicht zielführend, da jüngere Entwicklungsphasen ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dies betrifft in besonderem Maße auch mögliche Staueinrichtungen: Ein bislang als karolingerzeitlich angesprochener Staudamm ist neuen Datierungen zufolge ebenfalls erst hochmittelalterlich. Das bisherige Modell zur Wasserhaltung des Karlsgrabens ist damit zu korrigieren und es müssen neue Theorien zu seiner Funktionsweise entwickelt werden.

Siedlungs-, Landschafts- und Verkehrsentwicklung im Kanalumfeld standen bislang nicht im Fokus der Forschung. Die verfügbaren historischen Quellen wurden zu selektiv berücksichtigt und der archäologische Fundniederschlag im Nahbereich des Karlsgrabens ist kaum erschlossen. Auch die vor und nach dem Kanalbau genutzte Landpassage mit ihren zugehörigen Häfen nördlich und südlich der Wasserscheide wurde nicht untersucht. Ergebnisse zu Veränderungen von Topographie und Hydrologie im Bereich der vorauszusetzenden Schiffsländen fehlen. Die genannten Probleme setzen sich auf regionaler Ebene fort: die an die Wasserscheide reichenden schiffbaren Wasserwege mit den dazugehörigen Häfen und die dazwischen liegenden Landwegetrassen sind unzureichend erforscht. Dabei stellt sich die Frage, welche Flüsse und Bäche im Frühmittelalter überhaupt schiffbar waren. Der damit eng verbundene karolingerzeitlichen Landesausbau und seine Folgen auf Verkehrs- und Ökosysteme sind bislang nur punktuell fassbar. Eine Diskussion des Karlsgrabens als Knotenpunkt der Hafennetzwerke und Subsysteme der Binnenschifffahrt zwischen Rhein und Donau aus überregionaler Perspektive ist ein dringendes Desiderat. Auch eine vergleichende Untersuchung mit anderen Passagen über die europäische Hauptwasserscheide und ihrer Bedeutung im Rahmen der wassergestützten Verkehrsnetzwerke fehlt.

Ziele

Kartografische Darstellung des Kanals mit Darstellung von Rampen. Aus Georg Zacharias Haas, De Danubii et Rheni Coniunctione a Carolo Magno Tentata (Regensburg 1720).
Verlandeter Kanalbereich am Südrand des Rezatrieds mit Randwällen. Foto: Uni Leipzig.

Ausgehend von  den umrissenen Problemfeldern verfolgt unser Projekt folgende Ziele: Die historischen Quellen zum Bauensemble sollen in einem Gesamtapparat zusammengestellt und neu bewertet werden. Außerdem gilt es, die wirtschafts- und verkehrsgeschichtliche Bedeutung des Kanals als Bestandteile regionaler und überregionaler Verkehrs- und Kommunikationsnetzwerke umfassend zu analysieren. Als Grundlage für die Klärung von Gesamtlänge und  Trassenverlauf  wird das Bodendenkmal mit allen jüngeren Veränderungen in einem Nutzungskataster erfasst. Fundierte Befunde zur karolingerzeitlichen Grabensohle sollen den Längsschnitt des Kanals erschließen. Gleiches gilt für seinen Querschnitt, wobei u.a. mögliche Uferverbauten, die schiffbare Kanalbreite und -tiefe sowie der Geländeverlauf vor dem Kanalbau zu klären sind. Eine Voraussetzung zur Beantwortung dieser Fragen ist die feinchronologische Gliederung der geomorphologisch-sedimentologisch differenzierbaren Verlandungssequenzen des Kanals. Ausgehend von neuen Befunden zur Paläohydrologie sowie zur Nutzungsgeschichte möglicher Staueinrichtungen wollen wir Alternativmodelle zur Wasserhaltung und Funktionsweise das Kanals entwickeln. Dabei gilt es in besonderem Maße die postkarolingische Nutzungsgeschichte des Bauensembles zu berücksichtigen. Auf dieser Basis kann eine Diskussion von Gesamtausdehnung, Konstruktion, Datierung, zeitlicher Gliederung der Einzelelemente sowie der Fertigstellung erfolgen. Die Ergebnisse sind dann anderen wasser- und erdbaulichen Großprojekten des Mittelalters gegenüberzustellen.

Im Kanalumfeld gilt es, vorhandene archäologische Fundkomplexe aufzuarbeiten und systematisch neu zu erschließen, um lokales Siedlungsgefüge, Baustellen- und Verkehrsinfrastruktur zu rekonstruieren. Unter Berücksichtigung von Landschaftsveränderungen soll ein tragfähiges diachrones Modell der Kulturlandschaftsgenese erarbeitet werden. Neben der Erfassung fossiler Landwege ist es dabei das Ziel, die an Altmühl und Rezat vorauszusetzenden Schiffsländen zu lokalisieren, die den Übergang vom Karlsgraben zum überregionalen Netzwerk der Binnenschifffahrt ermöglichten. Eng damit verbunden ist die Frage der Schiffbarkeit der Karlsgraben-Zubringer sowie weiterer Gewässer, die ausgehend von Häfen alternative Übergänge über die Hauptwasserscheide ermöglichen. Auf überregionaler Ebene gilt es abschließend, die Wasserscheidenpassage am Karlsgraben als Knotenpunkt der Hafennetzwerke und Binnenschifffahrtssysteme zwischen Rhein und Donau neu zu bewerten. Von der vergleichenden Analyse des stark veränderlichen Netzwerkes der Binnenhäfen aus der Perspektive der Wasserscheiden als epochenübergreifend stabile Zwangspunkte versprechen wir uns dabei ein besonderes Aussagepotential für das Schwerpunktprogramm.

Arbeitsprogramm und Methoden

Unser interdisziplinäres Team vereint ein breites Methodenbündel. Kernstück der Informationszusammenführung ist ein GIS mit gekoppelter Datenbank. Das historische Arbeitsprogramm umfasst eine systematische Analyse einschlägiger Quelleneditionen, ergänzt durch unedierte Archivbestände. Basis der archäologischen Geländearbeiten ist ein diachrones Nutzungskataster, in dem Luftbilder, historische Karten u.a. zusammenfließen. Zur Klärung des Trassenverlaufs kommen neben großflächigen Magnetometermessungen LIDAR-Daten zum Einsatz. Umfangreiche geomorphologisch-sedimentologische Bohrungen erschließen Quer- und Längsprofile, die mit ausgewählten geoelektrischen 3D-Tomographien verschnitten werden. Für die Grabenverfüllung haben sich engmaschige Rammkernsondierungen bewährt. Die Bohrkerne werden im Gelände systematisch dokumentiert und beprobt, im Labor folgt die Analyse von Korngrößen, Carbonat-/ organischer C- und N-Gehalten, Magnetischer Suszeptibilität sowie botanischen Resten. Verschiedene Fragestellungen zum Kanal können nur unter Aufschlussbedingungen erfasst werden. Dazu sind kleinflächige archäologische Sondagen vorgesehen, die auch Material für dendrochronologische Analysen erwarten lassen. Entsprechende Datierungen sollen das engmaschige Netz an 14C-Daten ergänzen. Parallel erschließen systematische mehrstufige Feldbegehungen die Siedlungs- und Kulturlandschaftsentwicklung in einem breiten Streifen beiderseits der Kanaltrasse. Früh- und hochmittelalterliche Fundplätze werden mit geophysikalischen Methoden vertieft prospektiert. Ein Netz von Pürckhauer-Bohrungen erfasst zusätzlich Grundinformationen zu Landschaftsveränderungen im Begehungsbereich. Auf regionaler und überregionaler Ebene bildet eine literaturbasierte Aufnahme und Klassifizierung  systemrelevanter Infrastruktur- und Siedlungselemente die Basis einer abschließenden vergleichenden Strukturanalyse.

Systematische Feldbegehungen im Kanalumfeld im Frühjahr 2013. Foto: Uni Jena.

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