Häfen

von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter

Frühmittelalterliche Häfen zwischen Wismar Bucht und Danziger Bucht

Auf Handel und Handwerk spezialisierte Küstenansiedlungen entlang der südlichen Ostseeküste: 1 Starigard/Oldenburg; 2 Alt Lübeck; 3 Groß Strömkendorf; 4 Rostock-Dierkow; 5 Ralswiek; 6 Menzlin; 7 Usedom; 8 Szczecin; 9 Wolin; 10 Kamień Pomorski; 11 Kołobrzeg; 12 Bardy/Świelubie; 13 Puck; 14 Gdańsk; 15 Janów Pomorski.
Luftbild Strömkendorf (Projektfoto): Blick auf Hafeneinfahrt des Handelsplatzes von Groß Strömkendorf an der Wismarbucht (Luftbild: O. Braasch/LaKD).
Ralswiekboot, Ralswiek auf Rügen. Boot 2 während der Grabung (Foto: LaKD).

Der Ostseeraum bildete während des frühen Mittelalters die Kontaktzone zwischen den skandinavischen Königreichen, dem fränkischen Reich und den baltischen bzw. slawischen Stammesgebieten. In dieser Zeit entstand ein gesellschaftlich, ethnisch, religiös und wirtschaftlich heterogener Wirtschaftsraum, der ausgezeichnete Voraussetzungen für die Erschließung neuer Märkte und die Kommunikation von Innovationen bot. Der Ostseeraum erlebte seit dem 8. Jahrhundert eine Blüte des Fernhandels und die Etablierung und Festigung eines überregionalen Verkehrsnetzes. Das zentrale Element in der Organisation des frühmittelalterlichen Warenaustausches repräsentieren auf überregionalen Handel und Handwerk spezialisierte Küstenansiedlungen, die seit dem 8. Jahrhundert im gesamten Ostseeraum gegründet wurden. In dem von Slawen besiedelten Gebiet zwischen der Lübecker und der Danziger Bucht sind derzeit neun entsprechende Plätze – Alt-Lübeck, Groß Strömkendorf, Rostock-Dierkow, Ralswiek, Menzlin, Wolin, Szczecin, Bardy/Świelubie, Janów Pomorski – archäologisch eindeutig nachgewiesen; aufgrund historischer und archäologischer Überlieferungen sowie theoretischen Überlegungen sind weitere Plätze im Bereich des Oldenburger Grabens (Starigard/Oldenburg) und des Barther Boddens, auf der Insel Usedom, im Oder-Mündungsgebiet bei Kamień Pomorski sowie an der Parsęta-Mündung bei Kołobrzeg und Gdańsk an der Weichsel-Mündung zu vermuten.

Der Kenntnisstand zu den Handelsplätzen entlang der südlichen Ostseeküste ist – zumeist bedingt durch kleinräumige Ausgrabungen oder moderne Überbauung – lokal und regional sehr unterschiedlich. Die Handelsplätze entstanden seit dem frühen 8. Jahrhundert und erlebten zum Teil im 9. und 10. Jahrhundert einen erheblichen Bedeutungszuwachs. Infolge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen bzw. durch Veränderungen des Naturraums wurden einzelne Plätze im Laufe des 10. Jahrhundert aufgegeben oder verlegt, andere entwickelten sich zu mittelalterlichen Städten. Umfassende, vornehmlich interdisziplinär durchgeführte Untersuchungen in Groß Strömkendorf, Ralswiek, Menzlin oder Janów Pomorski führten zum Nachweis von planmäßigen Innenstrukturen in Form von Hofverbänden oder Parzellen, wie sie auch von anderen Handelsplätzen im Nord- und Ostseeraum, u. a. Ribe oder Kaupang bekannt sind; Anhaltspunkte zur Ausdehnung der Fundplätze sind im vergangenen Jahrzehnt vor allem durch geophysikalische Prospektionen gewonnen worden.

Die Seehandelsplätze stellen als Etappenorte des ostseeweiten, aber auch binnenländischen Fernhandels wichtige Schnittstellen zwischen Wasser und Land dar, die ihre Bedeutung vor allem durch die Existenz von Häfen erhielten. Die enorme Bedeutung des Hafens als ökonomische Grundstruktur ist eindeutig an der Standortwahl der Siedlungen zu erkennen, die in geschützten Buchten und Fjorden oder an Flussläufen im Nahbereich der Ostsee angelegt wurden. Die naturräumlichen Bedingungen boten sowohl beste Voraussetzungen für die Anlage von Häfen und die Erreichbarkeit durch Segelschiffe als auch Schutz gegen Stürme und Überfälle. Entwicklung und Bestehen der Handelsplätze waren somit an das Funktionieren des Hafens gebunden. Eine zunehmende Unwirtschaftlichkeit von Häfen infolge von Wasserspiegeländerungen und technologischen Entwicklungen im Schiffsverkehr konnten zur Verlegung der Hafenareale bzw. ganzer Siedlungen an verkehrsgünstigere Lokalitäten führen; wiederholt konnten jedoch im Bereich von Häfen auch umfangreiche Baumaßnahmen in Form von Instandsetzungen sowie Aus- und Umbauten nachgewiesen werden.

Archäologische Untersuchungen an frühmittelalterlichen Häfen sind zwischen Lübecker und Danziger Bucht bislang nur vereinzelt durchgeführt worden. Bisher wurden nur in Ralswiek auf Rügen, Wolin, Szczecin und Gdańsk Teile von Hafenanlagen archäologisch nachgewiesen. Darüber hinaus weisen in Menzlin, Usedom, Kamień Pomorski, Kołobrzeg oder Janów Pomorski festgestellte infrastrukturelle Maßnahmen (Straßen, Brücken), charakteristisches archäologisches Fundmaterial (Bootsniete, Holzdübel, Schiffsteile) und Schiffsfunde auf Hafenareale hin, ohne dass zurzeit weitere Aussagen zur Ausdehnung bzw. zur Konstruktion gemacht werden können. In Groß Strömkendorf führten darüber hinaus die Auswertung von Luft- und Satellitenaufnahmen gemeinsam mit geologischen und geophysikalischen Prospek­tionsarbeiten zum Nachweis eines Hafenbeckens. Für Rostock-Dierkow, Usedom oder Bardy/Świelubie sind bereits durch die Auswertung von topographischen, geologischen und bodenkundlichen Karten Depressionen erkennbar, die vermutlich während des frühen Mittelalters sehr gute Voraussetzungen zur Anlandung von Booten und Schiffen boten und deshalb vermutlich als „Naturhäfen“ genutzt wurden.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Ostseehäfen“ ist eine systematische und interdisziplinäre Erforschung der Hafenstrukturen frühmittelalterlicher Seehandelsplätze zwischen der Wismarer und der Danziger Bucht vorgesehen. In erster Linie soll geklärt werden, in welchem Umfang bei der Anlage dieser Siedlungen die topographischen Voraussetzungen für die Anlage von Häfen bedeutend war, wie die Anbindung der Häfen an die jeweilige Siedlung erfolgte, welche gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktion die Häfen innerhalb des Siedlungsgefüges besaßen und in welcher Weise die Be- und Entladung der Boote und Schiffe erfolgte. Von besonderem Interesse ist die Untersuchung der Frage, ob zu diesem Zweck Uferbefestigungen, Molen oder Landebrücken errichtet wurden und ob es ggf. zu Reparaturen, Erneuerungen oder Umbauten gekommen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Rekonstruktion der jeweiligen geographischen Voraussetzungen sowie der umweltgeschichtlichen Prozesse – wie Veränderungen des Meeresspiegels, die lokale Hydrographie, regionale/lokale Verlandungsprozesse oder erosionsbedingte Verlagerungen von Küstenlinien und relevanter Wasserwege von großer Bedeutung. In den geförderten drei Jahren (1. Projektphase, 2012-2015) soll ausgehend von den bereits in der Literatur, Archiven und Magazinen vorhandenen Informationsquellen zunächst eine vergleichende Auswertung der bislang durchgeführten Forschungen an frühmittelalterlichen Häfen im Untersuchungsgebiet erfolgen. Dabei stehen die Fundplätze im westlich der Oder gelegenem Gebiet im Vordergrund. Vorhandene Informationslücken sollen mit Hilfe geologischer, geophysikalischer und archäologischer Prospektions- und Analysemethoden geschlossen werden. Kleinräumige Sondagen sollen dann die Ergebnisse der Prospektionen verifizieren und ggf. Erhaltung und Datierung von Hafenkonstruktionen klären. In Abhängigkeit von den Ergebnissen sollen in einer zweiten Projektphase (2015-2018) verstärkt die Fundplätze zwischen Oder und Weichsel untersucht werden. Gegebenenfalls sollen dann auch einzelne Häfen mit gut erhaltenen Strukturen in repräsentativen Ausschnitten freigelegt werden.

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