
Effizienz und Konkurrenz
Funktionale Beschaffenheit von italischen Hafenstädten und ihren Anlagen in der mittleren römischen Kaiserzeit
Im Jahr 114 besuchte Plinius der Jüngere Kaiser Traian in seiner neuen Villa an der tyrrhenischen Küste. Hier ließ der Kaiser eine neue Villa errichten zusammen mit einem Hafen, der an Größe und Struktur die bisherigen Anlagen an diesem Küstenabschnitt in den Schatten stellen sollte. Das Bild, welches sich dem Schriftsteller dort bot, hinterließ einen solch starken Eindruck, dass er später begeistert an seinen Freund Cornelius schrieb:
"Das Haus ist wahrlich schön: Es ist umgeben von grünen Feldern mit Blick auf die Küste, wo eine natürliche Bucht mit aller Geschwindigkeit in einen Hafen verwandelt wird. Der linke Arm wurde bereits durch eine feste Mole ersetzt, der rechte befindet sich noch im Bau. Am Eingang des Hafens erhebt sich eine Insel aus dem Wasser und dient als Wellenbrecher, wenn der Wind landeinwärts weht und gibt so den Schiffen eine sichere Einfahrt von jeder Seite. Sein Bau ist es wert gesehen zu werden. Gewaltige Steine warden in großen Kähnen herbeigebracht und aufeinander geworfen um den Hafen zu bilden; ihr Gewicht hält sie in Position und die Menge erhebt sich in einer Art Wall. Ein Hügel kann man bereits hochstehen sehen, der gegen ihn schlagenden Wellen bricht und sie mit großem Getöse in die Luft wirft, so dass die See um ihn herum weiß vor Gischt ist. Später sollen noch Anleger auf den Steinfundamenten errichtet werden und mit der Zeit wird es aussehen wie eine natürliche Insel. Der Hafen wird nach seinem Erbauer benannt warden und ist auch bereits unter seinem Namen bekannt; und er wird unzählige Leben retten und ein Zufluchtsort gewährleisten an diesem langen Abschnitt der Hafenlosen Küste." Plin.epist.6.31.15-17
Vor dem Bau dieses Hafens gab es an der tyrrhenischen Küste fast ausnahmslos ehemalige Etruskische Häfen, die nun als Coloniae Maritimae die Westküste Italiens schützen sollten. Als erster Hafen nördlich von Portus erscheint Alsium auf der Seekarte, gefolgt von Fregenae, Pyrgi und Castrum Novum, die zusammen die etruskischen Hafenplätze Caeres darstellten, und die im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus zu römischen Kolonien ernannt wurden. Auf das Territorium Caeres folgt Tarquinia mit seinen Häfen Graviscae und Telamon. Im Zuge der Kolonisierung Etruriens entstand etwa 30 Kilometer Nordwestlich von Graviscae die einzige römische Gründung: Cosa. Der Bau dieses Hafens beeinträchtigte die Häfen südlich von Cosa sehr stark und ein demographischer Wandel wird bereits fassbar.(Witcher 2006, 88-123) Im Gebiet nördlich des Mons Argentario liegen die Häfen Populonia, Telamon, Vada Volaterrae und Pisa. Besonders die beiden letztgenannten profitierten sehr stark vom stadtrömischen Bauboom des 1. Jahrhunderts nach Christus. In wie weit das sullanische Gesetz zur Schonung der Italischen Rohstoffe (Plin. Nat.hist. 3.138) hier noch eine Rolle spielte wird ebenfalls Teil der Untersuchung sein.
Die umfassende Untersuchung der Region Etrurien auf archäologischer, demographischer und wirtschaftlicher Ebene wird einen der Hauptteile des Projektes ausmachen. Eine ähnliche Untersuchung wird für die Häfen südlich von Rom bis zum Kampanischen Golf erfolgen. In einem dritten Schritt sollen diese Regionen verglichen werden.
In der bisherigen Forschung standen meistens die Häfen Portus und Puteoli im Zentrum des Interesses, da über diese Häfen der staatliche Getreideimport abgewickelt wurde. Es gibt also besonders für diese Häfen eine sehr breite Basis an Quellenmaterial. Die besonderen Anforderungen zur Bewältigung des staatlichen Importgeschäfts sind bei der Betrachtung des Regionalhandels zu berücksichtigen.
Der Fragenkatalog, der an die Häfen gestellt werden kann ist sehr lang. In diesem Projekt geht es in erster Linie um den Versuch eine Verbindung zwischen dem Bau der traianischen Häfen und dem Untergang, Fortbestand oder auch Umorientierung der Nachbarhäfen herauszuarbeiten. Welche Einflüsse spielen hier zusammen, reicht der Bau eines einzigen neuen Hafens aus um das wirtschaftliche Gleichgewicht so sehr zu stören, dass es den Untergang der übrigen bedeutet? Haben die betroffenen Städte versucht dagegen zu wirken? Oder war der Bau Centumcellaes möglicherweise bereits eine Reaktion auf den beginnenden Niedergang der angrenzenden Häfen. Hat man anstelle einer Instandsetzung der alten Anlagen den Bau einer technisch innovativen und der Naturgewalten trotzenden Anlage bevorzugt?
Bei der bisherigen Bearbeitung deutet sich bereits an, dass es sich bei den Regionen Etrurien und Latium/Kampanien um sehr unterschiedliche Wirtschaftsräume handelt, die auch in unterschiedlichen Abhängigkeiten zu Rom stehen. Dementsprechend ist auch ein unterschiedlicher Umgang mit der durch Traian geschaffenen Konkurrenzsituation zu erwarten, sofern es sich hier denn wirklich um eine Konkurrenzsituation handelt.