Geophysikalisches Zentralprojekt
Das Ziel des geophysikalischen Zentralprojektes ist die Prospektion archäologischer Stätten, die in der Übergangszone vom Land zum Gewässer gelegen sind. Für die Prospektion dieser amphibischen Zone können abseits der Uferlinie auf der Land- und Gewässerseite jeweils bereits etablierte geophysikalische Messmethoden (Magnetik, Elektrik, Georadar) mit gewissen Einschränkungen genutzt werden. Besonders jedoch für den amphibischen Bereich sollen neue Verfahren zum Imaging der Untergrundstruktur durch seismische Grenzflächenwellen entwickelt werden.
Standorte an denen Messungen durchgeführt werden sollen sind Island, die deutsche Nordsee- und Ostseeküste, der Rhein bei Bonn sowie eine Lokation in der Türkei.
Geophysikalische Prospektion an Land
Die geophysikalische Prospektion archäologischer Stätten an Land hat auf messtechnischer Seite ein hohes Niveau erreicht. Durch die Kombination von geophysikalischer Sensorik, Geräteträgern und Positionierungssystemen ist es heute möglich, selbst große Siedlungsstätten mit der erforderlichen räumlichen Auflösegenauigkeit zu vermessen. Das Rückgrat der Prospektion bildet dabei zweifellos die geomagnetische Kartierung, typischerweise durchgeführt mit Sensor-Arrays, die jedoch häufig durch Georadar, Geoelektrik oder elektromagnetische Induktionsmessungen (EMI) ergänzt wird.
Geophysikalische Prospektion auf dem Wasser
Die von der Archäometrie an Land bekannten geophysikalischen Messmethoden sind jedoch nur bedingt auf den Flachwasserbereich übertragbar. Die Geophysik für den amphibischen Bereich befindet sich sowohl von der wissenschaftlichen Methodik her als auch technisch in einer Entwicklungsphase. Deswegen sollen bereits etablierte Messverfahren von Beginn an für die Projektarbeit genutzt werden und parallel dazu jedoch die Methodik wissenschaftlich und technisch neu- bzw. weiterentwickelt werden.
Die Rolle des geophysikalischen Zentralprojektes im SPP
Die verschiedenen Methoden sollen, möglichst in Kombination, auf die archäologischen Stätten des SPP angewendet werden. Dazu wurden Kooperationen mit fünf im SPP angesiedelten archäologischen Projekten vereinbart, in denen insgesamt 20 Lokationen vermessen werden sollen.
Die archäologischen Partner-Projekte sind:
- Der Rhein als europäische Verkehrsachse
- Die thrakische Hafenstadt Ainos
- The Leiruvogur Harbor Project
- Frühmittelalterliche Häfen zwischen Wismarer Bucht und Danziger Bucht
- „Gewerbewurten“ und „Geestrandhäfen“ – mittelalterliche Handelshäfen an der deutschen Nordseeküste
Die Lokationen dieser Projekte ergeben strukturell einen repräsentativen Querschnitt an amphibischen Prospektionsaufgaben. Geologisch bzw. morphologisch können sie in drei Kategorien eingeteilt werden, die unterschiedliche geophysikalische Messansätze mit sich bringen:
- aktuell verlandende Areale mit lagunären oder sumpfigen Arealen, auch Salzwiesen,
- Randbereiche offener Gewässer mit Ufer- oder Strandlinien,
- überwiegend bereits verlandete Areale.
Targets der Prospektion sind sowohl Bebauungs- bzw. Siedlungsreste als auch die Aufklärung der geologischen Randbedingungen der Siedlungsstätten wie die frühere Geländegestalt oder die Charakterisierung der Sedimentation.
Methodische Neuentwicklung
Der Schwerpunkt der methodischen und technischen Neuentwicklung wird auf die Seismik gelegt, die in der archäologischen Prospektion an Land bisher eine untergeordnete Rolle spielte. Im amphibischen Milieu sind jedoch die Einsatzmöglichkeiten der etablierten tiefenempfindlichen Messverfahren Geoelektrik und Georadar sehr begrenzt, ihre Eindringtiefen bei hoher elektrischer Leitfähigkeit in Brack- und Salzwasser erheblich reduziert oder sogar gleich Null. Mit der Seismik würde demgegenüber ein Satz unabhängiger Untergrundparameter, die elastischen Konstanten (z.B. Kompressions- und Schermodul-Kontraste), in der archäologischen Prospektion genutzt werden können. Dabei wird die Seismik stets als Ergänzung zu den etablierten Messmethoden gesehen, da sowohl die Messung selbst als auch die Auswertung zeitaufwändig ist.
Unter den verschiedenen seismischen Explorationsansätzen erscheint die Verwendung von Grenzflächenwellen (Rayleigh-, Scholte- und Love-Wellen) besonders attraktiv für die archäologische Prospektion der amphibischen Zone.
Vorteile von Grenzflächenwellen sind:
- leicht zu erzeugen
- breiten sich sowohl an Land als auch am Gewässerboden aus und können über den Gewässerrand hinweg kontinuierlich registriert werden
- verfügen bei den geringen Tiefen der archäologischen Targets noch über eine hinreichende Auflösung
- die Ausbreitung der Grenzflächenwellen wird nicht von biogenem Gas behindert
- bildgebende Auswerteverfahren für die archäologische Interpretation der Messungen können aus bestehenden Ansätzen heraus entwickelt werden
Grenzflächenwellen wurden bisher hauptsächlich zur Ermittlungoberflächennaher geologischer Schichtung eingesetzt, dabei meistens entlang von Profillinien, selten flächenhaft aufgezeichnet. In der archäologischen Prospektion wird eine hohe laterale Strukturauflösung benötigt, die mit den herkömmlichen Verfahren allerdings nicht erreicht wird, da bei der Auswertung räumlich stark geglättet wird. Die Messdaten selbst sind dabei jedoch durchaus von ausreichend hoher Empfindlichkeit für kleinräumige Strukturänderungen im Untergrund, wie durch Testmessungen im antiken Löwenhafen von Milet gezeigt wurde. Es gilt daher, diesen im Prinzip vorhandenen Informationsgehalt für die Auswertung zu erschließen.
Im Rahmen des Zentralprojektes soll nach wenig rechenintensiven Verfahren gesucht werden, die vorrangig auf das Imaging der Untergrundstruktur durch Grenzflächenwellen zielen.